Nosferatu – eng mit Dracula verbunden

Am Anfang standen Irrtümer

Die Romane zu Nosferatu und auch zu Graf Dracula wären vielleicht nie entstanden, wäre die Recherche zum rumänischen Volksglauben ohne Dolmetscher und ohne die gesellschaftliche Gier nach der Andersartigkeit anderer Völker ausgekommen.

Emily Gerard, eine schottische Reiseschriftstellerin, verfasste ein Buch über Transsylvanien und den Volksglauben der hier lebenden Bevölkerung. Im Zug ihrer Recherchen erhielt sie Informationen über einen Untoten, an den das Volk glaubte und dessen Namen sie als Nosferatu verstand oder übersetzt bekam. Es wird vermutet, dass der eigentliche Begriff Nesuferitu lautete, mit dem man den Teufel umschrieb.

Emily Gerard baute die Figur des Nosferatu zum Vampir aus, wozu es allerdings im rumänischen Volksglauben keinerlei Bezug gab. Vampire kamen in diesem nicht vor. Allerdings war die westeuropäische Gesellschaft fasziniert von derlei Legenden und befand sie mit ihrem Bild vom rumänischen Volk, das sie hatten, für schlüssig. Bis heute ist nicht geklärt, wo Emily Gerard die verschiedenen Anhaltspunkte fand, die sie zum Mythos Nosferatu vermengte.

Nosferatu

Von Nosferatu zu Dracula und wieder zu Nosferatu

Bram Stoker soll zu seinem Roman über den blutsaugenden Grafen Dracula durch die Reiseberichte über Nosferatu inspiriert worden sein. Allerdings wurde aus dem kränklich wirkenden, in alte Kleidung gehüllten und bucklig laufenden Nosferatu ein eleganter, weltgewandter und äußerst gebildeter Vampir. Als die Geschichte von Bram Stokers Dracula 1922 erstmals – mit urheberrechtlich fehlender Berechtigung – für einen Vampirfilm Pate stand, wurde aus dem Vampirgrafen Dracula der Graf Orlok, mit dem Beinamen Nosferatu. Trotz vieler Versuche, den Film wegen des Urheberrechtsstreits zu vernichten, erhielt sich der Streifen des bedeutenden Filmregisseurs Friedrich Murnau bis heute und ist restauriert und überarbeitet immer noch ein grandioses Werk gruseliger Unterhaltung des Stummfilmzeitalters.

Nosferatu und seine Nachfolger

Nosferatu, der von bekannten Darstellern wie Max Schreck, Klaus Kinski oder Willem Dafoe verkörpert wurde, unterscheidet sich von Dracula und ganz besonders von romantisch verklärten Vampirfiguren unserer Zeit. Rein optisch fallen nicht nur sein gebeugter Gang und die übergroßen Hände an den viel zu langen, dürren Armen auf, sondern auch sein Gebiss. Sind die ‚üblichen‘ Vampire mit dem Gebiss eines Raubtieres, wie dem Wolf, ausgestattet, trägt Nosferatu seine verlängerten Zähne nicht als Eckzähne, sondern als Schneidezähne. Damit wirken sie nicht wie die Fangzähne des Wolfes, sondern wie die Schneidezähne einer Ratte. Laut Bedeutung von Nosferatus Namensgeber Nesuferitu passt dies zur einzigen Gemeinsamkeit, die Nosferatu mit Nesuferitu hat: die Verbreitung der Pest und anderen Seuchen.

Am weitesten haben sich wohl die Vampire der romantischen Kino- und Serienadaptionen von Nosferatu entfernt. Sie sind zumeist melancholisch, hadern häufig mit ihrem Vampirdasein und kämpfen der Liebe wegen mit unterschiedlichsten Mitteln gegen ihren Blutdurst an. Weil es aber auch in deren Welt das Böse gibt, bleiben dem Zuschauer die bösartigen und blutgierigen Vampire mit ihren hässlich verwandelten Fratzen erhalten, für die Murnaus Nosferatu die vielleicht berühmteste Vorlage lieferte.

Wer sich heute als Vampir verkleidet, hat also die freie Wahl, ob er romantisch oder lieber gruselig aussehen möchte.